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You've gotta swim, swim for your life - Jack’s Mannequin

  • Autorenbild: KK
    KK
  • 27. Juni 2018
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 17. Nov. 2019


In meinem Alter rät der Arzt mir jetzt zu „Schwimmen als bestgeeignete Sportart“. Das belaste die Gelenke nicht und sorge für ein ganzheitliches Training. Aber nicht nur Brustschwimmen, auch Rückenschwimmen, sonst bekäme ich schnell Nackenschmerzen. Ich werde also alt. Das höre ich nicht gerne, bemerke es jedoch zunehmend. Also gehe ich - noch keine 50 - neuerdings morgens Schwimmen. Ins hiesige Freibad, um 7:30 Uhr in der Frühe. Und als erstes fühle ich mich vor allem: tapfer. Es sind in diesen Tagen meist um die 10 Grad Celsius um diese Zeit. Plus. Gott sei Dank. „Husch, husch ins Warme!“ grüßt der Bademeister und meint damit das 50-Meter Becken. Das Wasser hat 23 Grad und verspricht einen Hauch von Frühling aus dieser Perspektive. Sobald ich schwimme, fällt mir auf, dass so ein morgendlicher Schwimmbadbesuch einen tiefen Blick auf die deutsche Seniorenseele frei gibt. Hier trifft man sich also, denke ich und beobachte, wie die hartgesotten Ü70iger sich unter die Außendusche stellen, länger als nötig, wie ich finde und völlig ohne „Huh!“ oder „Hahh!“. Die Damen legen Badekappen an, die Herren Schwimmbrillen. Hierbei gibt es noch eine klare Geschlechtertrennung. Im Wasser nestelt niemand wie ich an seiner elektronischen Uhr, um festzuhalten, wie viel Kilometer er in welcher Zeit geschwommen ist. Folglich wird er auch später keine Zeit brauchen, Länge, Geschwindigkeit und verbrauchte Kalorien in einem sozialen Netzwerk zu teilen. Gut, ich tue das auch nicht, aber nur, weil meine Zahlen mir peinlich sind. Ich brauche die Uhr trotzdem, für meinen eigenen Wettkampf mit mir. Ich reihe mich also in eine Bahn ein, gleich neben einem weißhaarigen Herren, der so frisch aussieht, wie dieser Morgen. Er grüßt freundlich und weiß genau, wie lange die Kaltfront dauern wird. „Nächste Woche noch und dann wird es Donnerstag wieder wärmer.“ Ich nicke nur, weil es doch ziemlich kalt ist und mir seine Frische fehlt. Ich versuche mich warm zu schwimmen. Abwechselnd Brust, Rücken, nee, doch lieber Brust, weil ich beim Rückenschwimmen Bahnen kreuze, bisschen Kraulen, Himmel, lieber wieder Brust. Und auf einmal höre ich dieses Geräusch von hinten immer näher kommen. Es ist das Geräusch, das entsteht, wenn ein Kind mit den Lippen im Badewasser blubbert. Immer wieder. Im Rhythmus einer Dampflok. Eine lustige Kombination. Der ältere Mann, der es macht, zieht stoisch seine Brustbahnen. Eine um die andere. Ich weiß nicht, wie lange er schwimmt. Aber es ist lange. Sehr lange. Er überholt mich oft. Und je länger ich dieses Geräusch näher kommen und gehen höre, desto mehr begreife ich, wie viel die Technik des Schwimmens mit dem Alter zu tun hat. Niemand will alt werden oder alt sein. Dennoch ist die einzige Alternative zum Altwerden Jungsterben. Das ganze Altern hat mit Ausdauer zu tun. Mit Ausdauer und mit Geschwindigkeit. Der blubbernde Herr macht es vor. Er schwimmt gleichmäßig und ruhig, anscheinend ewig. Seit einigen Tagen mache ich es ihm nach. Ich lasse die Uhr weg, auch das Rückenschwimmen und Kraulen. Ich blubbere nicht, mein Atemgeräusch ist deutlich leiser als seins. Noch ist es mir nicht egal, ob ob ich lustige Geräusche mache. Aber ich schwimme wie er in einem gleichmäßigen, kraftsparendem Rhythmus. Und merke: so könnte auch ich ewig schwimmen! Der Bademeister traut mir allerdings noch nicht ganz so viel zu. Woran ich das merke? Gestern rief er mir zu: „Ich bin mal für zwei Minuten weg. Schwimm nicht so weit raus!“



 
 
 

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